Integration von neu zugewanderten Jugendlichen – Interview mit Berater für Berufs- und Studienorientierung

Gordon Herbert ist seit 2002 Lehrkraft und seit 2 Jahren als Berater für Berufs- und Studienorientierung für das rheinland-pfälzische Bildungsministerium tätig. Zu seinen Aufgaben gehören dabei u. a. die Beratung von Lehrkräften und Schulleitungen in den Bereichen Berufs- und Studienorientierung sowie Kompetenzanalyseverfahren wie die Kompetenzanalyse Profil AC und 2P | Potenzial & Perspektive. Wir haben Herrn Herbert zum Thema Integration von neu zugewanderten Jugendlichen interviewt.
 
MTO: Im Rahmen Ihrer Tätigkeit arbeiten Sie auch mit neu zugewanderten Jugendlichen. Was ist hier aus Ihrer Sicht besonders zu beachten?
 
Gordon Herbert: Das Wichtigste ist das schnelle Erlernen der deutschen Sprache. Das kann nur erfolgreich durch sinnstiftende Handlungen geschehen, was also zugleich einerseits die Zugehörigkeit zu einer „normalen“ Klasse und andererseits das Einbinden in Tätigkeiten der Kommune (Jugendzentrum, Sportplatz etc.) voraussetzt bzw. das Hineinwachsen begleitet.
Wir müssen erkennen, dass das Erlernen der deutschen Sprache viel mehr ist als das Lernen des Deutschen in den entsprechenden Fachunterrichtsstunden, weil der Löwenanteil nur durch soziale Interaktion passiert, sei es mit den Mitschülerinnen und Mitschülern in der Schule als auch mit den Menschen außerhalb. Das Aufgehobensein in einer Regelklasse als sozialer Handlungs- und Lernraum ist von Anfang an geboten, da in erster Linie hier das kulturelle Lernen stattfindet.
 
MTO: Was sind für Sie weitere wichtige Faktoren für die Integration von jungen Menschen?
 
Gordon Herbert:
 Unbedingte Voraussetzung für eine gelingende Integration ist das wechselseitige Interesse und Austauschen über Gemeinsamkeiten und Unterschiede, wobei es wichtig ist, nie das Individuum aus dem Blick zu verlieren.
Man muss sich klar machen und hin und wieder auch ins Gedächtnis rufen, dass hier auf beiden Seiten Geduld und Durchhaltevermögen stark gefordert sind. Unterstützend hierbei ist ein moderner Unterricht, der viele unterschiedliche Sozialformen kennt und die überwiegend problemhaltigen Aufgabenstellungen im sozialen Austausch löst. Es muss ein gemeinsames Sprachhandeln von Anfang an gefunden werden, um Situationen, die in sozialen Gemeinschaften auftreten, besprechen zu können: das gemeinsame Kauderwelsch, das Bemühen um Verständigung, das hilflose sich Anlächeln, das gemeinsame herzhafte Lachen über Verständnislosigkeit auf beiden Seiten und vieles mehr an sprachhandelnder Interaktion ist sowohl Basis als auch Anfang schon gelingender Integration.
Zudem ist die Übernahme von Verantwortlichkeiten im Schulleben ein sehr wirksames Mittel, da es das Zutrauen in das eigene Können fördert und ich mich als Teil einer Gemeinschaft erfahre. Auch das gemeinsame Feste feiern ist ein leichter, aber sehr effektiver Zugang zum Herstellen von gelebter Gemeinsamkeit.
 
MTO: Was sind Ihrer Meinung nach wichtige Themen im Bereich der beruflichen Orientierung für neu Zugewanderte?
 

Gordon Herbert: Das Erkennen der großen Bedeutung der überfachlichen Kompetenzen für die Berufsorientierung eröffnet eine neue Perspektive in Bezug auf die Persönlichkeitsentwicklung in der Schule. Das direkte Arbeiten an den überfachlichen Kompetenzen ist dann auch sehr schnell für die neu Zugewanderten möglich, weil ja das spezifisch Fachliche nicht notwendige Voraussetzung für die Aneignung der überfachlichen Kompetenzen ist.
Außerdem verlässt die Berufsorientierung zur Zeit ihr Nischendasein in der Schule aus dem Bereich des Übertritts in den Beruf und entfaltet sich als schulisch-pädagogische Aufgabe zur Lebensweltorientierung in viele Gebiete des schulischen Lebens hinein. Den Schülerinnen und Schülern wird so ein reflektierter Zugang zu den Erfahrungen, die sie über sich und ihre Umwelt tätigen, ermöglicht.
Wichtige, konkrete Themen sind die Umsetzung von schnelleren Kontaktmöglichkeiten zu Betrieben, mehr Schnuppertage und Praktika sowie verstärkte Informationen zu Verhalten und Sprache in Betrieben und entsprechende Trainings dazu.
 
MTO: Herr Herbert, vielen Dank für das Gespräch.